Der Caravaning-Fahrzeugmarkt verändert sich stark. In den letzten fünf Jahren ist der Bestand der Freizeitfahrzeuge um rund ein Drittel angestiegen und rollt über die Straßen oder steht auf den Stell- und Campingplätzen der Republik. Insgesamt verzeichnet man beim Caravaning Industrie Verband e.V. (CIVD) aktuell über 1,4 Millionen zugelassene Reisemobile und Caravans in Deutschland. Da ist der Verband, als Interessenvertreter der Caravaningbranche, natürlich mit vielen Themen beschäftigt, die auch den Campingfreunden unter den Nägeln brennen.
Was sagt der wichtige Branchenverband zu der zukünftigen Fachkräftesituation in Werkstätten und im Service, zur Lage beim Stellplatzangebot und zum Megatrend naturnahes Reisen? Wir haben mit Daniel Onggowinarso (Geschäftsführer CIVD) über wichtige Fragen und Aussichten der Caravaningbranche gesprochen.
Frage: Herr Onggowinarso, der CIVD kannte in den letzten zehn Jahren eigentlich bei den Zulassungszahlen nur eine Richtung: Immer steil bergauf. Nun haben Sie für das erste Halbjahr 2022 einen Rückgang bei den Neuzulassungen für Reisemobile um 12,2 % vermeldet. Woran liegt das?
Antwort: „Bis Ende Juli wurden fast 65.000 neue Freizeitfahrzeuge zugelassen. Damit liegt unsere Branche zwar unter den Werten aus 2020 und 2021, toppt aber immer noch die Vor-Corona-Zahlen. Die Hersteller und Händler hätten auch in der ersten Jahreshälfte viel mehr Fahrzeuge verkaufen können, aber globale Krisen wie stockende Lieferketten und der Krieg in der Ukraine haben auch in unserer Branche die Produktion und Auslieferung stark beeinträchtigt. Bei den Reisemobilen fehlt es insbesondere an Chassis. Dazu kommen Krankheitsausfälle beim Personal und der allgemeine Fachkräftemangel.“
Neue Fachrichtung „Caravan- und Reisemobiltechnik“ kommt 2023
Frage: Dennoch ist die Branche ja generell sehr gesund und intakt. Die vielen neu hinzugekommenen Fahrzeuge benötigen natürlich auch in Sachen Wartung, Reparatur und Service bei den niedergelassenen Händlern und Werkstätten Kapazitäten. Zudem benötigen die Hersteller natürlich qualifizierte Mitarbeiter. Unterstützt der CIVD die Verbandsmitglieder bei der Suche?
Antwort: „Unsere Branche hat den drohenden Fachkräftemangel erkannt und früh die Initiative ergriffen. Die Fachkräfte von morgen will der CIVD für den Ausbildungsberuf „Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker/-in“ begeistern, für den unser Verband die neue, dritte Fachrichtung „Caravan- und Reisemobiltechnik“ entwickelt hat. Die Ausbildungsinhalte sind speziell auf die Anforderungen der Branche abgestimmt und bieten jungen Menschen eine hervorragende Basis, um in einem Caravaning-Betrieb Karriere zu machen.“
Frage: Die Ausbildungsmöglichkeiten an Freizeitfahrzeugen sind ja sehr vielfältig. Das kann für junge Berufseinsteiger mit Hang zu einem soliden, handfesten Lehrberuf sehr interessant sein. Welche Bereiche/Gewerke kann man denn in der Werkstatt beim Fachbetrieb Caravaning oder direkt beim Fahrzeughersteller erlernen?
Antwort: „In der Ausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker/in erlernt man grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten rund um Kraftfahrzeuge. Dazu gehören die Herstellung, Instandhaltung und Reparatur. Zusätzlich wird in der Fachrichtung „Caravan- und Reisemobiltechnik“ der Horizont um den kompletten Aufbau von Wohnmobilen und Caravans erweitert. Dazu zählt die Herstellung von Teilen aus Holz, Sandwichplatten, Leichtbaumaterialien und GFK für das Exterieur und das Interieur der Fahrzeuge. Auch die Themen Elektro-, Flüssiggas und Sanitärinstallation sind Inhalt des Lehrplans. Der Azubi kann nach Ende der Ausbildung in all diesen Bereichen eingesetzt werden. Sowohl in der Produktion als auch im Handel.“
Daniel Onggowinarso: „Die Aussichten waren nie besser!“
Frage: Bekommen Sie von den Fahrzeugherstellern Rückmeldungen? Wie sind die Aussichten für die Berufsanfänger?
Antwort: „Die Aussichten waren nie besser: Die Urlaubsform wird seit vielen Jahren immer beliebter und ein Ende des Trends ist nicht in Sicht. Als Caravaning-Fachfrau und Fachmann haben sie exzellente Übernahmechancen und die Möglichkeit, die Zukunft des mobilen Urlaubs aktiv mitzugestalten.“
Frage: Schauen wir noch einmal über den Tellerrand hinaus. Der Freizeitfahrzeugmarkt in Deutschland gilt ja was das Umsatzvolumen und die Zulassungszahlen angeht, als Taktgeber für ganz Europa. Kann man diese starke Stellung aus Sicht des CIVD auch zukünftig behaupten?
Antwort: „Das Jahr 2021 war für die europäische Caravaningindustrie das erfolgreichste Jahr ihrer Geschichte. Fast 260.000 Freizeitfahrzeugen wurden neu zugelassenen, über 106.000 davon entfielen auf den deutschen Markt. Der zweitgrößte Markt war Frankreich mit etwas über 38.000 Caravans und Reisemobilen. Deutschland ist also in der Tat das Herz der europäischen Caravaning-Branche. Ich sehe keinen Grund, warum sich das ändern sollte, denn der Urlaub mit Reisemobil und Caravan ist in Deutschland so beliebt und attraktiv wie nie zuvor.“
E-Mobilität: Uneinheitliches Bild
Frage: Stichwort: Ein weiteres Zukunftsthema umfasst die Elektrifizierung/E-Mobilität. Wird es auch im Caravaning in absehbarer Zeit – von sagen wir fünf Jahren – Entwicklungen bei den Fahrzeugen oder der Infrastruktur geben? Gibt es Initiativen des CIVD in diesem Bereich?
Antwort: „Caravans mit elektrischen Antrieben, die das Zugfahrzeug unterstützen, sind in der Erprobung durch die Bundesanstalt für Straßenwesen. Bei den kompakten Reisemobilen werden immer mehr elektrische Modelle auf den Markt kommen.
Mit Blick auf die klassischen Reisemobile sind wir von den Entwicklungen der Basisfahrzeughersteller und gesetzlichen Rahmenbedingungen abhängig. Tatsache ist, dass aktuelle Akkuleistungen noch weit von der gewünschten Reichweite entfernt sind.
Außerdem fehlt es europaweit noch an einem verlässlichen Netz an Ladesäulen für E-Fahrzeuge. Zusätzlich sorgt das Zusatzgewicht der Akkus dafür, dass Reisemobile schnell an ihre Zuladungsgrenze stoßen. Das stellt Menschen mit einem B-Führerschein vor große Herausforderungen. Daher macht sich der CIVD mit dem europäischen Dachverband ECF in Berlin und Brüssel für eine Erweiterung des B-Führerscheins von 3,5 t auf 4,25 t stark.“
Frage: Noch eine ganz praktische Frage, die viele Caravaner in den social media-Foren diskutieren: Wo sollen die ganzen Fahrzeuge gerade in der Hochsaison überhaupt stehen? Gibt es Lösungsansätze vom CIVD?
Antwort: „Die Vielfalt bei den Übernachtungsmöglichkeiten für Caravaning-Urlauber war nie größer. Es muss nicht immer der klassische Campingplatz sein, denn gerade im Bereich Reisemobilstellplätze wächst das Angebot seit Jahren.
Alleine in Deutschland gibt es über 5000 dieser Stellplätze.
Fakt ist aber, dass der Ausbau der Infrastruktur in den vergangenen Jahren mit den stark wachsenden Neuzulassungszahlen nicht mithalten konnte. Daher setzt sich der CIVD aktiv bei Kommunen und Investoren für den Ausbau der Stellplatzinfrastruktur ein, denn das touristische und wirtschaftliche Potential unserer Urlaubsform ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Vor allem touristisch weniger entwickelte Regionen können mit bereits vergleichsweise niedrigschwelligen Übernachtungsangeboten vom Caravaning-Boom profitieren. Wir leisten also viel Aufklärungsarbeit bei Entscheidern und bieten Interessierten eine individuelle Beratung und Leitfäden zum Stellplatzbau an.“
Herr Onggowinarso, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Das Gespräch haben wir auf dem Caravan Salon 2022 in Düsseldorf geführt. Interviewer: Thomas Schmies
Webseite des CIVD: www.civd.de
Weitere Informationen zur Ausbildungsinitiative: www.sonnigekarriere.de
Caravaning Industrie Verband e. V. (CIVD)
Der Caravaning Industrie Verband ist die Interessenvertretung des industriellen Zweigs der deutschen Caravaningbranche. Zu seinen Mitgliedern zählen neben deutschen und europäischen Herstellern von Caravans und Reisemobilen auch zahlreiche Unternehmen der Zulieferindustrie, Dienstleister sowie öffentliche Institutionen und Verbände. Der 1962 gegründete Verband vertritt alle Belange der deutschen Caravaningindustrie gegenüber der nationalen und europäischen Politik und ihren Behörden und Institutionen. Darüber hinaus ist der CIVD ideeller Träger der weltweit größten Messe für Freizeitfahrzeuge – dem CARAVAN SALON – und sorgt damit für wichtige Impulse für die Caravaningbranche in Europa.